
Die größte finanzielle Gefahr für Ihr Unternehmen lauert nicht in offensichtlichen Transportschäden, sondern in den unsichtbaren Deckungslücken zwischen Standard-Versicherungspolicen.
- Die gesetzliche Haftung ist oft dramatisch unzureichend und deckt nur einen Bruchteil des tatsächlichen Warenwerts.
- Kritische Phasen wie Zwischenlagerungen, Zollabfertigungen oder der Umschlag zwischen Verkehrsträgern fallen häufig durch das Raster traditioneller Versicherungen.
Empfehlung: Ersetzen Sie den Flickenteppich aus Einzelversicherungen durch eine systematische Risikokartierung Ihrer gesamten Lieferkette und eine durchgehende, warenflussorientierte Police.
Ein Anruf, den jeder Logistikunternehmer fürchtet: Eine wertvolle Sendung ist beschädigt oder verschwunden. Doch die anfängliche Sorge weicht schnell der Frustration, als ein kompliziertes Tauziehen um die Haftung beginnt. Der Frachtführer verweist auf seine begrenzten Haftungsgrenzen, der Spediteur auf die Police des Subunternehmers und der Lagerhalter auf eine Klausel im Kleingedruckten. Am Ende bleibt Ihr Unternehmen auf einem erheblichen Teil des Schadens sitzen, obwohl doch „alles versichert“ schien. Dieses Szenario ist kein seltener Ausnahmefall, sondern die bittere Realität lückenhafter Absicherungsstrategien im Transportwesen.
Die gängige Annahme ist, dass eine Kombination aus Speditions-, Frachtführer- und Transportversicherungen ein sicheres Netz spinnt. Man verlässt sich auf die Policen der beauftragten Dienstleister oder schließt eine eigene Warentransportversicherung ab und wähnt sich in Sicherheit. Doch was, wenn die wahre Gefahr nicht die bekannten Risiken wie Unfall oder Diebstahl sind, sondern die unbemerkten Lücken und blinden Flecken *zwischen* den einzelnen Gliedern der Lieferkette? Die kritischen Momente des Übergangs, der Lagerung und der unvorhergesehenen Verzögerungen sind die Stellen, an denen traditionelle Deckungskonzepte versagen und existenzbedrohende finanzielle Verluste entstehen.
Dieser Artikel durchbricht die oberflächliche Betrachtung von Einzelpolicen. Stattdessen nehmen wir die Perspektive des Warenflusses ein und zeigen Ihnen, wie Sie Ihre gesamte Supply Chain systematisch kartieren, um genau diese gefährlichen Schnittstellenrisiken und Deckungslücken aufzudecken. Wir analysieren, warum gesetzliche Haftungsgrenzen eine trügerische Sicherheit bieten, und demonstrieren, wie Sie einen wirklich lückenlosen, „wasserdichten“ Schutzschild für Ihre wertvollen Güter errichten – vom Versender bis zum finalen Empfänger.
Um die komplexen Zusammenhänge und potenziellen Fallstricke im Detail zu verstehen, beleuchten wir in diesem Artikel die entscheidenden Aspekte der Risikoabsicherung in der Logistik. Der folgende Überblick führt Sie durch die zentralen Themen, von der Abgrenzung der Policen über Haftungsfragen bis hin zur Eliminierung von Deckungslücken.
Sommaire : Ein Leitfaden zur lückenlosen Absicherung Ihrer Logistikkette
- Transportversicherung, Speditionsversicherung oder Lagerhaltungsversicherung – was deckt was ab?
- Wer haftet bei Schäden – Versender, Spediteur, Frachtführer oder Empfänger?
- Container-Seefracht, LKW-Transport oder Luftfracht – welche Transportart braucht welchen Schutz?
- Die 48-Stunden-Lücke, in der 40% der Transportschäden unversichert bleiben
- Wie sichern Sie Transporte in 15 Länder ohne 15 verschiedene Versicherungen?
- Wie kartieren Sie Ihre Lieferkette systematisch zur Identifikation aller Risikopunkte?
- Warum schützt die gesetzliche Haftungsgrenze von 8,33 € pro Kilo Sie nicht wirklich?
- Wie eliminieren Sie alle Deckungslücken entlang Ihrer gesamten Supply Chain?
Transportversicherung, Speditionsversicherung oder Lagerhaltungsversicherung – was deckt was ab?
Auf den ersten Blick scheint die Welt der Logistikversicherungen klar aufgeteilt. Die Realität ist jedoch ein komplexes Geflecht aus sich überschneidenden und manchmal widersprüchlichen Deckungen, das gefährliche Lücken hinterlässt. Der Kern des Problems liegt darin, dass jede Police für einen spezifischen Akteur oder eine spezifische Phase der Kette konzipiert ist, aber selten den gesamten Warenfluss nahtlos abdeckt. Die Warentransportversicherung (oft vom Warenbesitzer abgeschlossen) schützt die Ware selbst gegen Schäden und Verlust während des Transports. Die Speditionsversicherung (Verkehrshaftungsversicherung) hingegen deckt primär die Haftung des Spediteurs für von ihm verursachte Schäden, aber nicht unbedingt den vollen Warenwert. Die Lagerhaltungsversicherung greift bei Schäden während der Einlagerung.
Die entscheidende Schwachstelle entsteht an den Schnittstellen. Was passiert, wenn Waren länger als geplant in einem Cross-Docking-Terminal stehen? Greift hier noch die Transport- oder schon die Lagerversicherung? Viele Standard-Transportpolicen enthalten signifikante Einschränkungen. So zeigt sich bei der Analyse rechtlicher Rahmenbedingungen, dass oft eine maximale Lagerzeit von 60 Tagen gilt, wie in Standard-Transportpolicen eine maximale Lagerzeit von 60 Tagen vorgesehen ist. Dauert eine unvorhergesehene Lagerung länger, erlischt der Versicherungsschutz – eine typische Deckungslücke.
Um diese Risiken zu beherrschen, ist es unerlässlich, nicht in Policen, sondern in Prozessen zu denken. Kartieren Sie den exakten Weg Ihrer Ware und identifizieren Sie jeden Übergabepunkt. Analysieren Sie, welche Versicherung zu welchem Zeitpunkt die Verantwortung trägt und wo „Niemandsland“ existiert. Eine durchgehende Lösung wie eine Stock-Throughput-Police, die Ware sowohl im Transit als auch im Lager unter einem einzigen Vertrag absichert, kann hier die effektivste Strategie sein, um diese gefährlichen Schnittstellenrisiken zu eliminieren und eine wirklich wasserdichte Kette zu schaffen.
Wer haftet bei Schäden – Versender, Spediteur, Frachtführer oder Empfänger?
Die Frage der Haftung ist das zentrale Konfliktpotenzial in der Logistikkette. Die Antwort hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: den vertraglichen Vereinbarungen, den gesetzlichen Bestimmungen (wie HGB in Deutschland) und den vereinbarten Handelsklauseln, allen voran den Incoterms. Diese definieren präzise den Punkt des Kosten- und Gefahrenübergangs vom Verkäufer auf den Käufer. Ob „EXW“ (Ex Works), „FOB“ (Free On Board) oder „DDP“ (Delivered Duty Paid) – die Wahl der Klausel entscheidet fundamental darüber, wer für den Transport verantwortlich ist und wer im Schadensfall das finanzielle Risiko trägt.
Die Haftungskette ist jedoch selten linear. Ein Spediteur beauftragt oft Subunternehmer (Frachtführer), die wiederum eigene Haftungsbedingungen haben. Kommt es zu einem Schaden, beginnt eine komplexe Kaskade von Regressansprüchen. Wie die Rechtsanwaltskanzlei Esser in ihrem Beitrag zur „Haftung und Versicherung in der Kontraktlogistik“ hervorhebt:
Der Transportversicherer wird also, soweit die Schäden im Lager des Logistikers entstanden und verursacht worden sind, diesen dafür haftbar halten und den Schaden auf dem Wege des Regresses bei dem Lagerhalter einfordern. In der Transportversicherung ist der Regreß gegen den Frachtführer, Spediteur und Lagerhalter als Auftragnehmer ein wesentlicher Leistungsteil des Transportversicherungsvertrages.
– Rechtsanwaltskanzlei Esser, Haftung und Versicherung in der Kontraktlogistik
Für den Warenbesitzer bedeutet dies oft lange Wartezeiten und Unsicherheit, während die Versicherer untereinander die Schuldfrage klären. Ein besonderer Fall in der Seefracht verdeutlicht die Komplexität zusätzlich:
Sonderfall Havarie-Grosse in der Seefracht
Bei der sogenannten „Havarie-grosse“ wird ein Teil der Ladung bewusst geopfert (z.B. über Bord geworfen), um das Schiff und die restliche Ladung aus einer Gefahrensituation (wie einer Strandung) zu retten. Obwohl dies ein vorsätzlich herbeigeführter Schaden ist, wird er von der Transportversicherung gedeckt. Der Grundgedanke ist, dass alle Ladungseigner auf einem Schiff eine Risikogemeinschaft bilden. Die Kosten des Opfers werden anteilig auf alle an der Reise beteiligten Parteien (Schiffseigner und Ladungseigner) umgelegt. Ohne eine eigene Warentransportversicherung müsste der Besitzer der unbeschädigten Ware trotzdem für den Schaden an der geopferten Ware aufkommen.

Diese Beispiele zeigen unmissverständlich: Sich auf die Haftung anderer zu verlassen, ist eine riskante Strategie. Eine eigene, vom Verschulden unabhängige Warentransportversicherung („All-Risk-Deckung“) ist der einzige Weg, um eine schnelle und umfassende Entschädigung sicherzustellen und sich aus den komplexen Haftungsstreitigkeiten herauszuhalten.
Container-Seefracht, LKW-Transport oder Luftfracht – welche Transportart braucht welchen Schutz?
Jeder Transportweg hat seine spezifischen Risiken und, was noch wichtiger ist, seine eigenen gesetzlichen Haftungsregelungen. Ein pauschaler Versicherungsschutz, der diese Unterschiede ignoriert, ist zwangsläufig unzureichend. Die Wahl des Verkehrsträgers bestimmt maßgeblich die Höhe der potenziellen Deckungslücke, die durch eine eigene Warentransportversicherung geschlossen werden muss.
Beim LKW-Transport innerhalb Deutschlands richtet sich die Haftung des Frachtführers nach dem Handelsgesetzbuch (HGB). Sie ist auf 8,33 Sonderziehungsrechte (SZR) pro Kilogramm Rohgewicht begrenzt. Beim Container-Seefracht sind die Risiken vielfältiger: Seegang, Piraterie, Brand oder die bereits erwähnte Havarie-grosse. Die Haftung des Reeders ist ebenfalls stark begrenzt und richtet sich nach internationalen Konventionen, die oft noch niedrigere Entschädigungssummen als im Straßenverkehr vorsehen. Hinzu kommt das Risiko, dass ein ganzer Container über Bord gehen kann – ein Totalverlust, der durch die Haftung des Carriers bei Weitem nicht gedeckt wäre.
Die Luftfracht gilt als schnell und sicher, ist aber ebenfalls nicht ohne Risiko. Schäden können beim Be- und Entladen oder durch Turbulenzen entstehen. Auch hier ist die Haftung international geregelt und bietet nur minimalen Schutz. So liegt die internationale Haftungsgrenze bei Lufttransporten laut Warschauer Abkommen bei nur 16,67 SZR (ca. 21€) pro Kilogramm. Für leichte, aber wertvolle Güter wie Elektronik, Pharmazeutika oder Luxusartikel ist diese Summe vollkommen unzureichend und macht eine Höherversicherung absolut notwendig.
Der entscheidende Faktor ist die Wertdichte Ihrer Waren. Transportieren Sie schwere, aber günstige Rohstoffe, mag die gewichtsbasierte Haftung in einigen Fällen ausreichen. Sobald Sie jedoch veredelte Produkte, technische Geräte oder hochwertige Konsumgüter versenden, entsteht eine massive Diskrepanz zwischen der gesetzlichen Haftung und dem tatsächlichen Warenwert. Ein umfassender Schutz erfordert daher eine Police, die den vollen Rechnungswert der Ware absichert, unabhängig vom Transportmittel und dessen spezifischen Haftungsgrenzen.
Die 48-Stunden-Lücke, in der 40% der Transportschäden unversichert bleiben
Eines der am häufigsten übersehenen Risiken in der Logistik sind zeitliche Deckungslücken. Viele Standard-Transportpolicen definieren den „Transport“ sehr eng – nämlich als die reine Fahrzeit von A nach B. Doch die Realität einer Lieferkette ist geprägt von Unterbrechungen: Wartezeiten im Hafen, Stau an der Grenze, ungeplante Zwischenlagerungen oder Verzögerungen bei der Zollabfertigung. Genau in diesen Phasen des Stillstands ist der Versicherungsschutz oft unklar oder nicht existent. Eine besonders kritische und oft im Kleingedruckten versteckte Klausel ist die sogenannte 48-Stunden-Lücke.
Diese Klausel besagt, dass Unterbrechungen der Reise, die transportbedingt sind (z.B. das Warten auf einen Anschlussflug), nur für eine begrenzte Zeit – oft eben nur 48 oder 72 Stunden – mitversichert sind. Dauert die Verzögerung bei der Zollabfertigung am Wochenende länger oder muss eine Sendung ungeplant zwischengelagert werden, weil der Empfänger sie nicht annehmen kann, erlischt der Schutz der Transportpolice. Die Ware befindet sich dann in einem versicherungstechnischen Vakuum: Der Transport ist offiziell unterbrochen, aber eine Lagerpolice greift in der Regel auch nicht. Schätzungen aus der Branche deuten darauf hin, dass ein signifikanter Teil aller Transportschäden in genau solchen unklaren Übergangs- und Wartephasen auftritt.

Um diese tückischen Lücken zu identifizieren, ist eine minutiöse Analyse der eigenen Logistikprozesse erforderlich. Es reicht nicht, nur die Haupttransportstrecke zu betrachten. Jede geplante und potenziell ungeplante Unterbrechung muss auf ihren Versicherungsstatus hin überprüft werden. Die folgende Checkliste hilft Ihnen dabei, diese „Gap Hunter“-Mentalität zu entwickeln und die blinden Flecken in Ihrer Deckung aufzuspüren.
Ihr Aktionsplan: Zeitliche Deckungslücken systematisch aufspüren
- Prüfpunkt 1: Dokumentieren Sie alle Wartezeiten bei Zollabfertigung – sind diese über 48 Stunden versichert?
- Prüfpunkt 2: Analysieren Sie ungeplante Zwischenlagerungen – greifen hier noch die Transportpolicen?
- Prüfpunkt 3: Überprüfen Sie die Zeit während der Entladung beim Empfänger – wer haftet in dieser Phase?
- Prüfpunkt 4: Kontrollieren Sie Klauseln zu ‚Beginn und Ende der Reise‘ in Ihren Policen.
- Prüfpunkt 5: Identifizieren Sie alle Zeitfenster zwischen verschiedenen Verkehrsträgern.
Wie sichern Sie Transporte in 15 Länder ohne 15 verschiedene Versicherungen?
Für global agierende Unternehmen stellt sich eine enorme Herausforderung: Wie kann ein einheitlicher und lückenloser Versicherungsschutz über Ländergrenzen, verschiedene Rechtssysteme und lokale Versicherungsvorschriften hinweg gewährleistet werden? Der Versuch, in jedem Zielland eine separate Police abzuschließen, führt unweigerlich zu einem administrativen Alptraum und einem unübersichtlichen Flickenteppich aus unterschiedlichen Deckungssummen, Bedingungen und Ausschlüssen. Dies schafft genau die Art von Schnittstellenrisiken und Deckungslücken, die es zu vermeiden gilt.
Die professionelle Lösung für diese Komplexität ist ein internationales Versicherungsprogramm. Das Herzstück eines solchen Programms ist eine zentrale „Master-Police“, die in der Regel im Heimatland des Unternehmens abgeschlossen wird. Diese Police definiert den gewünschten, hohen Deckungsstandard für die gesamte globale Lieferkette. Um den lokalen Gesetzen und Vorschriften in den einzelnen Ländern (z.B. Versicherungspflichten vor Ort) gerecht zu werden, werden zusätzlich lokale Policen in den jeweiligen Ländern ausgestellt.
Der entscheidende Mechanismus, der dieses System wasserdicht macht, ist die sogenannte DIC/DIL-Klausel (Difference in Conditions / Difference in Limits) in der Master-Police.
- Difference in Conditions (DIC): Wenn die lokale Police einen bestimmten Schadenfall nicht abdeckt (z.B. Streik oder politische Risiken), der aber in der Master-Police versichert ist, springt die Master-Police ein und schließt diese inhaltliche Lücke.
- Difference in Limits (DIL): Wenn die Versicherungssumme der lokalen Police für einen Großschaden nicht ausreicht, deckt die Master-Police die Differenz bis zur in ihr vereinbarten, höheren Versicherungssumme ab.
Dieses intelligente System kombiniert die Notwendigkeit lokaler Konformität mit dem Vorteil eines global einheitlichen und hohen Schutzstandards. Anstatt 15 unverbundene Verträge zu managen, steuern Sie zentral eine einzige, übergeordnete Schutzstrategie. So wird sichergestellt, dass Ihre Waren von Deutschland nach Brasilien genauso gut versichert sind wie von China in die USA, ohne dass Sie sich im Dschungel lokaler Versicherungsbedingungen verlieren.
Wie kartieren Sie Ihre Lieferkette systematisch zur Identifikation aller Risikopunkte?
Ein lückenloser Versicherungsschutz beginnt nicht mit dem Kauf einer Police, sondern mit einem tiefen Verständnis der eigenen Prozesse. Die systematische Kartierung der Lieferkette – das sogenannte Supply Chain Mapping – ist die strategische Grundlage für jedes effektive Risikomanagement. Es geht darum, den Weg Ihrer Ware von der Quelle bis zum Ziel transparent zu machen und jeden einzelnen Knotenpunkt zu identifizieren, an dem ein Risiko entstehen könnte. Dies ist weit mehr als nur die Kenntnis der Haupttransportroute.
Eine professionelle Risikokartierung umfasst mehrere Ebenen. Zuerst werden alle beteiligten Akteure erfasst: nicht nur Ihre direkten Spediteure, sondern auch deren Subunternehmer, Lagerhalter, Zollagenten und sogar wichtige Lieferanten von Vorprodukten. Im zweiten Schritt werden die physischen Warenflüsse und die dazugehörigen Informationsflüsse visualisiert. Wo finden Übergaben statt? Wo werden Daten übermittelt? Wo gibt es manuelle Prozesse, die fehleranfällig sind? Jeder dieser Punkte ist ein potenzielles Schnittstellenrisiko.
Anschließend wird jeder identifizierte Knotenpunkt bewertet. Mithilfe einer einfachen Risiko-Matrix, die die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens gegen die potenzielle Schadenshöhe abwägt, können Sie Prioritäten setzen. Ein hohes Risiko besteht nicht nur dort, wo Schäden häufig auftreten, sondern auch dort, wo ein seltener Vorfall katastrophale finanzielle Auswirkungen hätte. Dieser Prozess deckt oft Risiken auf, an die zuvor niemand gedacht hat, wie beispielsweise die Abhängigkeit von einem einzigen, kleinen Sub-Lieferanten. Die Notwendigkeit einer solchen detaillierten Betrachtung wird durch die Unfallstatistiken untermauert. So verzeichnete allein die BG Verkehr im Transportsektor eine signifikante Rate von 33,62 meldepflichtigen Arbeitsunfällen je 1.000 Vollarbeiter, was die menschlichen Risikofaktoren in jedem Glied der Kette verdeutlicht.
Moderne Technologien wie IoT-Sensoren zur Echtzeit-Überwachung von Temperatur oder Erschütterung und Supply-Chain-Visibility-Plattformen können diesen Prozess unterstützen und dynamische Risikodaten liefern. Das Ergebnis ist eine lebendige Landkarte Ihrer Risikolandschaft, die als perfekte Grundlage dient, um gezielt präventive Maßnahmen zu ergreifen und einen Versicherungsschutz zu entwerfen, der exakt auf Ihre reale Kette zugeschnitten ist – und nicht auf eine idealisierte Standardvorstellung.
Warum schützt die gesetzliche Haftungsgrenze von 8,33 € pro Kilo Sie nicht wirklich?
Eine der gefährlichsten Fehleinschätzungen im Warentransport ist der Glaube, die gesetzliche Haftung des Frachtführers böte einen ausreichenden Schutz. Die im deutschen HGB verankerte Grenze von 8,33 Sonderziehungsrechten (SZR) pro Kilogramm – umgerechnet etwa 10 €/kg – ist keine Versicherung, sondern eine Haftungsbegrenzung, die den Frachtführer schützen soll, nicht Ihre Ware. Diese Regelung führt zu einer dramatischen Unterversicherung, sobald der Wert Ihrer Güter dieses niedrige Limit übersteigt.
Stellen Sie sich vor, Sie transportieren eine Palette mit modernen Mikrochips. Das Gewicht mag nur 50 kg betragen, der Warenwert aber 100.000 €. Bei einem Totalverlust durch einen Unfall würde die gesetzliche Haftung des Frachtführers gerade einmal eine Entschädigung von ca. 500 € (50 kg * 10 €/kg) vorsehen. Sie blieben auf einem Schaden von 99.500 € sitzen. Im Gegensatz dazu mag bei einem Transport von 10 Tonnen Kies (Warenwert 500 €) die Haftungsgrenze von 100.000 € (10.000 kg * 10 €/kg) theoretisch ausreichen, aber hier ist das Schadenpotenzial ohnehin gering. Die gewichtsbasierte Haftung bestraft somit systematisch Versender von leichten, hochwertigen Gütern.

Dieses Prinzip der Unterversicherung wird in der Praxis oft schmerzlich real, wie das folgende Fallbeispiel zeigt:
Fallbeispiel: Unterversicherung bei hochwertigem Transportgut
Ein Unternehmen lässt eine Sendung mit einem realen Warenwert von 80.000 € transportieren, verlässt sich aber teilweise auf die Haftung des Spediteurs oder schließt nur eine Versicherung über 40.000 € ab. Wird die Sendung beim Transport vollständig zerstört, zahlt die Versicherung maximal die vereinbarte Summe von 40.000 €. Aufgrund der zu gering gewählten Versicherungssumme muss das Unternehmen die restlichen 40.000 € als direkten Verlust aus der eigenen Tasche zahlen – eine direkte Folge der Fehleinschätzung des Risikos.
Zudem greift die Haftung nur, wenn dem Frachtführer ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Bei Schäden durch „unabwendbare Ereignisse“ wie Naturkatastrophen (z.B. Überschwemmungen, Stürme) haftet der Frachtführer oft gar nicht. Angesichts der Tatsache, dass allein der GDV im deutschen Versicherungssektor bereits im ersten Halbjahr 2024 Naturgefahrenschäden von 3,9 Milliarden Euro registrierte, wird klar, wie groß diese Lücke ist. Eine echte Warentransportversicherung leistet hingegen auch bei unabwendbaren Ereignissen und sichert den vollen Warenwert ab.
Das Wichtigste in Kürze
- Die gesetzliche Haftung (z.B. 8,33 SZR/kg) ist eine Haftungsbegrenzung für den Frachtführer, keine Versicherung für Ihre Ware, und führt bei hochwertigen Gütern zu massiver Unterdeckung.
- Die größten finanziellen Risiken lauern in den „blinden Flecken“ der Lieferkette: an Schnittstellen, bei Übergaben, im Lager und bei unvorhergesehenen Verzögerungen (z.B. die 48-Stunden-Lücke).
- Ein Flickenteppich aus Einzelpolicen ist fehleranfällig. Eine durchgehende, warenflussorientierte Absicherung (z.B. Stock-Throughput-Police, internationales Programm mit DIC/DIL) ist die einzig wasserdichte Lösung.
Wie eliminieren Sie alle Deckungslücken entlang Ihrer gesamten Supply Chain?
Die Schaffung einer wirklich wasserdichten Lieferkette ist kein einmaliges Projekt, sondern ein strategischer Prozess, der auf drei fundamentalen Säulen ruht. Es geht darum, reaktive Schadensregulierung durch proaktive Risikosteuerung zu ersetzen und einen Schutzschild zu errichten, der so dynamisch ist wie Ihre Warenflüsse selbst. Die Eliminierung von Deckungslücken erfordert eine Kombination aus Voraussicht, intelligentem Versicherungsschutz und robuster Notfallplanung.
Die erste Säule ist das proaktive Risikomanagement. Dies beginnt mit der systematischen Risikokartierung, wie wir sie besprochen haben. Jeder Knotenpunkt, jeder Dienstleister und jeder Prozess wird analysiert. Darauf aufbauend werden präventive Maßnahmen zur Schadensverhütung implementiert: bessere Verpackungen, geschulte Mitarbeiter, gesicherte Abstellplätze oder der Einsatz von Überwachungstechnologie. Das Ziel ist es, Schäden zu vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen können.
Die zweite Säule ist der intelligente Versicherungsschutz. Hier geht es darum, den identifizierten Restrisiken mit einem maßgeschneiderten Deckungskonzept zu begegnen. Für global agierende Unternehmen bedeutet dies die Implementierung eines Master-Konzepts mit DIC/DIL-Struktur, das lokale Policen nahtlos integriert. Wie Swiss Re Corporate Solutions betont, gibt diese Struktur dem Risikomanager die entscheidende Sicherheit:
The DIC/DIL component of the international program gives the risk manager confidence and certainty about the level of cover and limits of insurance they purchased. The overarching aim of an international program is to make sure you get a level of cover globally that matches, to the extent possible, the cover provided by the master policy.
– Swiss Re Corporate Solutions, The importance of DIC, DIL and Financial Interest Coverage
Die dritte Säule ist die Resilienzplanung oder das Business Continuity Management. Kein System ist zu 100% perfekt. Es muss also einen klaren Plan geben, was passiert, *wenn* ein Schaden eintritt. Wer ist zu informieren? Wie wird die Lieferkette schnell umgeroutet? Wie werden Kunden informiert? Definierte Notfallprozesse stellen sicher, dass der Betrieb nach einem Schadenfall schnellstmöglich wieder anläuft und der finanzielle sowie der Reputationsschaden minimiert wird.
Der Aufbau einer lückenlosen Absicherung ist eine strategische Notwendigkeit für jedes Unternehmen, das auf einen reibungslosen Warenfluss angewiesen ist. Beginnen Sie noch heute damit, Ihre Lieferkette mit den hier vorgestellten Methoden zu analysieren, um Schwachstellen aufzudecken und Ihre Transportaktivitäten gegen alle logistischen Risiken zu wappnen.