Veröffentlicht am Mai 11, 2024

Der größte Fehler bei der Erbschaftssteuer ist Passivität. Statt Vermögen passiv besteuern zu lassen, können Sie durch eine aktive Vermögensarchitektur den Vermögensfluss steuern und die Steuerlast legal auf null senken.

  • Freibeträge lassen sich durch die 10-Jahres-Regel und eine kluge Verteilung auf mehrere Erben strategisch multiplizieren.
  • Spezialinstrumente wie Nießbrauch bei Immobilien oder „Über-Kreuz-Versicherungen“ schaffen enorme Steuervorteile, die oft ungenutzt bleiben.

Empfehlung: Beginnen Sie heute mit der strategischen Planung Ihrer Schenkungen, denn der entscheidende Faktor für den Erfolg Ihrer Steuerminimierung ist Zeit.

Die Vorstellung, dass ein erheblicher Teil Ihres über Jahrzehnte aufgebauten Vermögens an das Finanzamt statt an Ihre Liebsten fließt, ist für viele ein schmerzlicher Gedanke. Oft wird die Erbschaftssteuer als eine unausweichliche Abgabe hingenommen. Man kennt vielleicht die grundlegenden Freibeträge, aber die strategische Tiefe, die das deutsche Erbschaftssteuerrecht bietet, bleibt den meisten verborgen. Viele glauben, mit einem einfachen Testament sei alles geregelt, und übersehen dabei die gewaltigen Gestaltungsmöglichkeiten, die in einer vorausschauenden Planung liegen.

Die gängigen Ratschläge beschränken sich oft auf die bloße Erwähnung der 10-Jahres-Frist für Schenkungen oder den Hinweis, man solle „frühzeitig anfangen“. Doch das ist nur die Oberfläche. Das wahre Potenzial liegt nicht im Wissen um einzelne Instrumente, sondern in ihrer meisterhaften Orchestrierung. Es geht um eine ganzheitliche Vermögensarchitektur, die weit über das Ausfüllen von Formularen hinausgeht. Es geht darum, den Vermögensfluss aktiv zu gestalten, statt ihn passiv der Steuerlast auszusetzen.

Doch was, wenn der Schlüssel nicht nur darin liegt, einen Freibetrag zu nutzen, sondern ihn systematisch zu multiplizieren? Was, wenn bestimmte Versicherungen nicht als Kosten, sondern als das schärfste Werkzeug zur legalen Steuervermeidung dienen können? Dieser Artikel führt Sie weg von der passiven Hinnahme der Steuerlast hin zur aktiven Gestaltung Ihres Erbes. Wir betrachten die Freibeträge nicht als statische Grenzen, sondern als variable Bausteine einer dynamischen, generationenübergreifenden Strategie.

Wir werden Schritt für Schritt die Mechanismen aufdecken, mit denen Sie nicht nur Tausende, sondern potenziell Hunderttausende Euro an Steuern sparen können. Sie lernen, wie Sie Zeit, Familienstruktur und spezielle Rechtsinstrumente zu Ihrem Vorteil nutzen, um Ihr Lebenswerk so zu erhalten, wie Sie es sich wünschen.

Dieser Leitfaden ist Ihre strategische Landkarte durch den Dschungel der Erbschaftssteuer. Die folgenden Abschnitte zeigen Ihnen die konkreten Hebel und Werkzeuge auf, die Ihnen zur Verfügung stehen, um Ihre Ziele zu erreichen.

Welche Erbschaftssteuer-Freibeträge gelten für Ehepartner, Kinder und Enkel konkret?

Die Grundlage jeder strategischen Vermögensarchitektur ist das exakte Wissen um die gesetzlichen Freibeträge. Diese sind keine Almosen des Staates, sondern Ihr verbrieftes Recht. Sie definieren, bis zu welcher Höhe Vermögen steuerfrei an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Die Höhe dieser Freibeträge ist direkt vom Verwandtschaftsgrad abhängig und in Steuerklassen I, II und III unterteilt. Je enger die Verwandtschaft, desto höher der Freibetrag und desto niedriger der Steuersatz auf darüber hinausgehende Beträge.

Für die engste Familie (Steuerklasse I) sind die Freibeträge am großzügigsten bemessen. So können laut aktueller Gesetzeslage Ehepartner und eingetragene Lebenspartner bis zu 500.000 Euro steuerfrei erben. Für jedes Kind (sowie Stief- und Adoptivkinder) gilt ein Freibetrag von 400.000 Euro. Enkelkinder, deren Elternteil (also Ihr Kind) noch lebt, können 200.000 Euro steuerfrei erhalten. Für weiter entfernte Verwandte wie Geschwister, Nichten und Neffen (Steuerklasse II) oder nicht verwandte Personen (Steuerklasse III) sinkt der Freibetrag drastisch auf nur 20.000 Euro.

Zusätzlich zu diesen persönlichen Freibeträgen gibt es den sogenannten Versorgungsfreibetrag. Dieser soll den Lebensunterhalt des überlebenden Ehepartners oder der Kinder sichern und wird zusätzlich gewährt. Er ist jedoch an Bedingungen geknüpft und wird beispielsweise mit Rentenansprüchen verrechnet. Die genaue Staffelung zeigt die Komplexität und die Notwendigkeit einer genauen Analyse.

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Freibeträge für Sie zusammen und zeigt, wie entscheidend die Familienstruktur für die Steuerlast ist. Sie ist die Basis für alle weiteren Überlegungen zur Freibetrags-Multiplikation.

Freibeträge und Versorgungsfreibeträge nach Verwandtschaftsgrad
Verwandtschaftsgrad Persönlicher Freibetrag Versorgungsfreibetrag Steuerklasse
Ehepartner/Lebenspartner 500.000 € 256.000 € I
Kinder, Stiefkinder 400.000 € 10.300-52.000 € (altersabhängig) I
Enkelkinder 200.000 € I
Geschwister 20.000 € II
Schwiegerkinder 20.000 € II

Wie nutzen Sie Erbschaftssteuer-Freibeträge alle 10 Jahre erneut durch gestaffelte Schenkungen?

Die in der vorherigen Sektion genannten Freibeträge sind nicht statisch; sie sind dynamisch und regenerieren sich. Der Gesetzgeber gibt Ihnen ein mächtiges Werkzeug an die Hand: die 10-Jahres-Frist. Diese Regel besagt, dass die persönlichen Freibeträge für Schenkungen zu Lebzeiten alle zehn Jahre vollständig neu in Anspruch genommen werden können. Dies verwandelt einen einmaligen Freibetrag in ein wiederkehrendes Instrument zur steuerfreien Vermögensübertragung.

Stellen Sie sich Ihren Freibetrag nicht als einen einmaligen Gutschein vor, sondern als ein wiederaufladbares Konto. Jede Schenkung an eine Person startet eine individuelle 10-Jahres-Uhr für genau diese Person. Nach Ablauf dieser Frist steht der volle Freibetrag für eine erneute Schenkung an dieselbe Person wieder zur Verfügung. Eine strategische, gestaffelte Schenkungsplanung ermöglicht es so, über Jahrzehnte hinweg ein Vielfaches der ursprünglichen Freibeträge steuerfrei zu übertragen. Eine Familie kann so Millionenwerte legal am Finanzamt vorbeischleusen.

Zeitliche Staffelung von Schenkungen zur optimalen Nutzung der Freibeträge

Wie die obige Visualisierung andeutet, geht es um eine vorausschauende Landschaftsplanung Ihres Vermögens. Statt einer plötzlichen Flut im Erbfall schaffen Sie über die Jahre hinweg sanfte, kontrollierte Ströme. Dies erfordert jedoch einen frühen Start und eine disziplinierte Dokumentation. Der entscheidende Fehler, den viele machen, ist zu warten. Je früher Sie mit der ersten (auch kleinen) Schenkung die „Uhr starten“, desto mehr Zyklen stehen Ihnen zur Verfügung.

Ihre Checkliste: Die „Uhr-Starten-Strategie“ für maximale Freibetragsnutzung

  1. Frühzeitig starten: Leiten Sie die 10-Jahres-Frist mit einer ersten, auch kleinen Schenkung (z.B. 10.000 €) an jede zu bedenkende Person ein, um die „Uhr“ offiziell zu starten.
  2. Lückenlos dokumentieren: Sorgen Sie für eine notarielle oder zumindest schriftliche Dokumentation jeder Schenkung, um im Bedarfsfall die Einhaltung der Fristen gegenüber dem Finanzamt nachweisen zu können.
  3. Wachstum verschenken: Übertragen Sie vorzugsweise wachstumsstarke Vermögenswerte wie Aktien-ETFs oder gut gelegene Immobilien statt Bargeld. Der zukünftige Wertzuwachs findet dann bereits steuerfrei beim Beschenkten statt.
  4. Zyklen planen: Erstellen Sie einen langfristigen Plan, der alle 10 Jahre eine Schenkung bis zur vollen Höhe des jeweiligen Freibetrags vorsieht, um die Kapazität maximal auszuschöpfen.
  5. Familienweit denken: Beziehen Sie nicht nur Kinder, sondern auch Enkel und gegebenenfalls sogar Schwiegerkinder in Ihre Schenkungsstrategie mit ein, um das Netz der Freibeträge so weit wie möglich zu spannen.

Wie verteilen Sie Ihr Vermögen auf 3 Kinder statt 1, um 1.200.000 € statt 400.000 € steuerfrei zu vererben?

Nach der zeitlichen Dimension (10-Jahres-Regel) ist die personelle Dimension der zweite große Hebel zur Freibetrags-Multiplikation. Das Prinzip ist bestechend einfach: Jeder Erbe hat seinen eigenen persönlichen Freibetrag. Je mehr Erben Sie in Ihre Planung einbeziehen, desto höher ist die Gesamtsumme, die steuerfrei übertragen werden kann. Es ist ein simples Rechenexempel mit gewaltiger finanzieller Auswirkung.

Ein einzelnes Kind kann 400.000 Euro steuerfrei erben. Haben Sie jedoch drei Kinder, summiert sich der steuerfreie Betrag bereits auf 1.200.000 Euro. Das bedeutet, dass durch eine geschickte Verteilung auf mehrere Erben die dreifache Summe steuerfrei übertragen werden kann. Wenn Sie zusätzlich noch die Freibeträge von Enkelkindern (jeweils 200.000 Euro) und vielleicht sogar des Ehepartners (500.000 Euro) nutzen, entsteht ein massives, steuerfreies Übertragungsvolumen. Dies ist kein Trick, sondern die vom Gesetzgeber vorgesehene Nutzung der Familienstruktur.

Die Herausforderung in der Praxis liegt jedoch oft darin, Sachwerte wie ein Familienunternehmen oder ein großes Immobilienportfolio zu verteilen, ohne sie zu zerschlagen oder die Kontrolle darüber zu verlieren. Hier kommen intelligente rechtliche Strukturen ins Spiel, die eine Verteilung des Werts ermöglichen, während der eigentliche Vermögensgegenstand intakt bleibt.

Praxisbeispiel: Der Familienpool (GbR) als strategisches Verteilungsinstrument

Eine Familie möchte ein Mehrfamilienhaus und ein Wertpapierdepot im Wert von 2 Millionen Euro optimal übertragen. Statt das Haus real zu teilen oder das Depot aufzulösen, gründen die Eltern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), den sogenannten „Familienpool“, und bringen die Vermögenswerte in diese Gesellschaft ein. Die Eltern halten zunächst 100% der Anteile. Über die Jahre verschenken sie nun nicht die Immobilien oder Aktien selbst, sondern Anteile an dieser GbR an ihre Kinder und Enkel. Jede Schenkung eines GbR-Anteils nutzt den jeweiligen persönlichen Freibetrag. Die Kontrolle über die Verwaltung der Vermögenswerte kann über den Gesellschaftsvertrag weiterhin bei den Eltern verbleiben. So wird das Vermögen steueroptimiert verteilt, ohne dass es zersplittert wird oder die strategische Führung verloren geht.

Diese Vorgehensweise zeigt, wie wichtig es ist, nicht nur in Personen, sondern auch in Strukturen zu denken. Die richtige Struktur ermöglicht die maximale Ausnutzung aller Freibeträge bei gleichzeitigem Erhalt der Kontrolle und des Familienvermögens als Einheit.

Die teure Unwissenheit, die 60% der Erblasser 50.000 € Steuern kosten lässt

Einer der häufigsten und teuersten Fehler bei der Vermögensübertragung betrifft Immobilien. Viele Erblasser glauben, sie müssten sich zwischen „selbst darin wohnen bleiben“ und „steuergünstig verschenken“ entscheiden. Diese falsche Dichotomie führt dazu, dass wertvolle Zeit verstreicht und enorme Steuervorteile ungenutzt bleiben. Das Instrument, das diesen Knoten löst, ist das Nießbrauchrecht.

Der Nießbrauch ist das Recht, eine Sache zu nutzen, obwohl sie einem nicht mehr gehört. Bei einer Immobilienschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt übertragen Sie das juristische Eigentum an der Immobilie – zum Beispiel an Ihr Kind –, behalten aber das lebenslange Recht, darin zu wohnen (Wohnrecht) oder sie zu vermieten und die Mieteinnahmen für sich zu behalten (Nießbrauch). Steuerlich ist dies ein Geniestreich: Die Schenkung findet sofort statt und startet die 10-Jahres-Frist. Der Wert der Schenkung wird jedoch um den sogenannten Kapitalwert des Nießbrauchs gemindert. Dieser Wert hängt von der statistischen Lebenserwartung des Schenkers und dem potenziellen Mietwert der Immobilie ab. Je jünger der Schenker, desto höher ist dieser Abzug.

Nießbrauchrecht bei Immobilienschenkung zur Steueroptimierung

Im Kern bedeutet das: Sie verschenken eine Immobilie im Wert von 800.000 Euro. Durch den Nießbrauch wird ihr steuerlicher Wert aber vielleicht nur auf 450.000 Euro angesetzt. Dieser Betrag kann dann durch den Freibetrag (z.B. 400.000 Euro für ein Kind) fast vollständig abgedeckt werden. Sie behalten die volle Kontrolle und den Nutzen zu Lebzeiten, während der Wertzuwachs der Immobilie bereits beim Kind stattfindet und die 10-Jahres-Uhr läuft. Die Unkenntnis dieses Instruments kostet unzählige Familien jedes Jahr enorme Summen.

Die folgende Tabelle verdeutlicht, wie stark der Wert des Nießbrauchs den steuerpflichtigen Wert einer Schenkung reduzieren kann. Sie zeigt, warum frühzeitiges Handeln bares Geld wert ist.

Nießbrauch-Wertminderung nach Alter (Beispielrechnung)
Alter des Schenkers Vervielfältiger (Frauen) Vervielfältiger (Männer) Wertminderung bei 24.000€ Jahresmiete
50 Jahre 15,3 14,8 367.200€ / 355.200€
60 Jahre 13,2 12,4 316.800€ / 297.600€
70 Jahre 10,0 9,2 240.000€ / 220.800€
80 Jahre 6,2 5,5 148.800€ / 132.000€

Wie kombinieren Sie Versicherungsleistungen mit Schenkungsfreibeträgen für maximale Steuereffizienz?

Lebensversicherungen werden im Kontext der Erbschaftssteuer oft nur als Mittel zur Liquiditätsbeschaffung gesehen, um die anfallende Steuer bezahlen zu können. Das ist ein valider, aber bei weitem nicht der cleverste Ansatz. Richtig strukturiert, können Lebensversicherungen zu einem der stärksten Instrumente zur völlig legalen und vollständigen Umgehung der Erbschaftssteuer werden.

Der Standardsfall ist problematisch: Schließt eine Person eine Lebensversicherung auf das eigene Leben ab und setzt die Kinder als Begünstigte ein, fällt die Auszahlungssumme im Todesfall in den Nachlass und unterliegt voll der Erbschaftssteuer. Der entscheidende Dreh- und Angelpunkt ist eine andere Vertragsgestaltung, die oft übersehen wird. Es gibt zwei zentrale strategische Einsatzmöglichkeiten von Versicherungen in der Vermögensarchitektur.

Die erste, fortgeschrittene Strategie ist ein juristischer Kniff, der die Erbschaftssteuer komplett aushebelt. Er nutzt die Trennung von Versicherungsnehmer, versicherter Person und Beitragszahler.

Praxisbeispiel: Die „Über-Kreuz-Lebensversicherung“ zur Steuerumgehung

Anstatt dass Vater A eine Versicherung auf sein Leben abschließt und Sohn B als Begünstigten einsetzt, wird es umgekehrt gemacht: Sohn B schließt als Versicherungsnehmer einen Vertrag auf das Leben von Vater A ab. Sohn B ist also der Besitzer des Vertrags und zahlt auch die Beiträge (ggf. aus Mitteln, die ihm der Vater zuvor steuerfrei geschenkt hat). Stirbt nun Vater A, erhält Sohn B die Versicherungssumme. Da Sohn B aber der Vertragsinhaber ist, handelt es sich bei der Auszahlung nicht um eine Erbschaft, sondern um die Erfüllung seines eigenen Vertragsanspruchs gegenüber der Versicherung. Die Folge: Die gesamte Versicherungssumme ist zu 100% erbschaftssteuerfrei, unabhängig von ihrer Höhe.

Die zweite, eher defensive Strategie dient der Absicherung. Wenn ein Großteil des Vermögens in illiquiden Werten wie einem Unternehmen oder Immobilien gebunden ist, fehlt den Erben oft das nötige Bargeld, um die Erbschaftssteuer zu bezahlen. Dies kann zu Notverkäufen unter Wert führen. Eine Risikolebensversicherung kann hier gezielt für Liquidität sorgen.

  • Ermitteln Sie die voraussichtliche Erbschaftssteuerlast für Ihre Erben.
  • Schließen Sie eine Risikolebensversicherung in genau dieser Höhe ab.
  • Setzen Sie die Erben als Begünstigte ein (idealerweise in der „Über-Kreuz“-Konstruktion).
  • Im Todesfall deckt die steuerfreie Auszahlung die fällige Steuerschuld exakt ab.
  • Der Notverkauf von wertvollem Familienvermögen wird so elegant vermieden.

Wie nutzen Sie den Sparerpauschbetrag und weitere Freibeträge zu 100% aus?

Neben den großen Freibeträgen für Erbschaften und Schenkungen existieren weitere, kleinere, aber in der Summe sehr wirkungsvolle Freibeträge, die in eine ganzheitliche Vermögensarchitektur integriert werden sollten. Der prominenteste davon ist der Sparerpauschbetrag. Jeder Person in Deutschland steht jährlich ein Freibetrag für Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden, realisierte Kursgewinne) zu. Dieser beträgt aktuell 1.000 Euro für Einzelpersonen und 2.000 Euro für gemeinsam veranlagte Ehepaare.

Dieser Betrag wird oft nur für das eigene Depot genutzt, dabei liegt sein wahres Potenzial in der Kombination mit Schenkungen. Durch die Übertragung von Wertpapierdepots auf Kinder oder Enkel können deren eigene, ungenutzte Sparerpauschbeträge aktiviert werden. Ein Kind oder Enkel, das noch keine eigenen Kapitalerträge hat, kann so pro Jahr Erträge in Höhe von 1.000 Euro komplett steuerfrei vereinnahmen. Auf lange Sicht summiert sich dieser Vorteil erheblich und sorgt für einen zinseszinsähnlichen Effekt bei der Nettorendite.

Die clevere Umsetzung dieser Strategie erfolgt über einen steuerfreien Depotübertrag, der eine doppelte Wirkung entfaltet. In der Praxis bedeutet dies, dass durch Depotschenkungen Kinder ihren eigenen Sparerpauschbetrag von 1.000 Euro nutzen können, was die Gesamtrendite der Familie steigert.

Ein solcher Depotübertrag ist ein hocheffizienter Vorgang. Wertpapiere können, ohne sie zu verkaufen, direkt von einem Depot auf ein anderes übertragen werden. Da kein Verkauf stattfindet, wird auch keine Kapitalertragsteuer auf die bis dahin aufgelaufenen stillen Reserven fällig. Gleichzeitig gilt der Wert des Depots zum Zeitpunkt des Übertrags als Schenkung und startet – wie bereits besprochen – die 10-Jahres-Frist für den Schenkungssteuerfreibetrag. Man schlägt also zwei Fliegen mit einer Klappe: Man nutzt den Schenkungsfreibetrag und aktiviert gleichzeitig einen zusätzlichen, jährlichen Freibetrag für Kapitalerträge. Bei einem Depot mit 3% Dividendenrendite bedeutet dies, dass ein Übertrag von ca. 33.000 Euro genügt, um den Sparerpauschbetrag des Kindes voll auszuschöpfen.

Schenkung zu Lebzeiten oder Vererbung nach Tod – welcher Weg spart mehr Steuern?

Die rein steuerliche Antwort auf diese Frage ist eindeutig: Eine frühzeitige und strategisch geplante Schenkung zu Lebzeiten spart fast immer mehr Steuern als die Vererbung nach dem Tod. Der Grund liegt in der Möglichkeit, die 10-Jahres-Frist mehrfach zu nutzen und so die Freibeträge zu multiplizieren. Doch die Entscheidung ist mehr als eine reine Rechenaufgabe. Es ist eine zutiefst persönliche Abwägung zwischen steuerlicher Optimierung und dem Bedürfnis nach persönlicher Kontrolle und finanzieller Sicherheit.

Eine Schenkung ist endgültig. Das übertragene Vermögen ist weg und kann nicht zurückgefordert werden (außer in extremen Ausnahmefällen). Viele Vermögende zögern daher, weil sie die Kontrolle nicht abgeben oder ihre eigene finanzielle Absicherung im Alter nicht gefährden wollen. Dies ist ein legitimes und wichtiges Anliegen. Instrumente wie der bereits besprochene Nießbrauch bei Immobilien sind eine hervorragende Möglichkeit, diesen Konflikt aufzulösen, indem sie Kontrolle und steueroptimierte Schenkung miteinander verbinden.

Darüber hinaus gibt es einen oft übersehenen, nicht-finanziellen Aspekt, der stark für die Schenkung zu Lebzeiten spricht: das „Generationen-Timing“. Es geht darum, das Vermögen dann weiterzugeben, wenn es von der nächsten Generation am dringendsten benötigt wird – zum Beispiel für den Hausbau, die Gründung eines Unternehmens oder die Ausbildung der Enkelkinder in den 30ern oder 40ern des Lebens, nicht erst in den 60ern, wenn sie oft selbst bereits vermögend sind. Dieser emotionale und praktische Nutzen ist für viele Schenker ein entscheidender Faktor.

Der Steuerberater Dr. Andreas Lohmeyer fasst diesen Gedanken treffend zusammen, wie im Afilio Ratgeber zur Erbschaftsteuerersparnis zitiert wird:

Eine Schenkung zu Lebzeiten ermöglicht es dem Schenker, die Freude und den Nutzen mitzuerleben. Das Geld kommt beim Kind in den 30ern an, wenn es gebraucht wird, nicht in den 60ern, wenn es selbst vermögend ist.

– Steuerberater Dr. Andreas Lohmeyer, Afilio Ratgeber Erbschaftsteuer sparen

Letztendlich muss die Entscheidung individuell getroffen werden. Eine hohe Priorität auf Kontrolle könnte für ein Testament mit klaren Auflagen sprechen, während ein Fokus auf maximale Steuerersparnis für eine aggressive Schenkungsstrategie mit Instrumenten wie Nießbrauch oder einem Familienpool plädiert.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Freibeträge sind der Hebel, aber die 10-Jahres-Frist ist der Motor Ihrer Steuerersparnis.
  • Mehr Erben bedeutet mehr Freibeträge – eine einfache Multiplikation mit enormer Wirkung.
  • Spezialinstrumente (Nießbrauch, Über-Kreuz-Versicherung, Familien-GbR) sind entscheidend für große Vermögen.

Wie optimieren Sie Ihre Kapitalerträge steuerlich und behalten mehr Nettorendite?

Die bisherigen Strategien fokussierten sich auf die Übertragung von Vermögenssubstanz. Doch eine vollständige Vermögensarchitektur betrachtet auch die steuerliche Optimierung der laufenden Erträge und nutzt fortgeschrittene Strukturen des Zivilrechts. Die Kunst liegt darin, alle legalen Möglichkeiten des Steuer- und Gesellschaftsrechts auszuschöpfen, um nicht nur die Erbschafts-, sondern auch die Kapitalertragsteuerlast zu minimieren. Das System ist komplex, belohnt aber jene, die seine Regeln kennen und anwenden. Dass dies in der Praxis geschieht, zeigen aktuelle Zahlen, die massive Steuererlasse für Großvermögen belegen.

Für Ehepaare mit gemeinsamem Vermögen, insbesondere mit einem großen Wertpapierdepot, existiert ein besonders elegantes Instrument zur steuerlichen Gestaltung: die sogenannte „Güterstandschaukel“. Dieses Verfahren klingt technisch, ist aber ein extrem wirksamer Weg, um Vermögen zwischen Ehepartnern steuerfrei zu verschieben und dabei steuerliche Vorteile zu realisieren.

Das Prinzip funktioniert so: Ehepartner, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, wechseln durch einen notariellen Vertrag in die Gütertrennung. Dadurch wird der gesetzliche Zugewinnausgleichsanspruch fällig. Der vermögendere Partner kann dem anderen Partner die Hälfte des während der Ehe erwirtschafteten Zugewinns steuerfrei übertragen – und zwar völlig unabhängig von den Schenkungssteuerfreibeträgen. Anschließend können die Ehepartner, wenn sie es wünschen, wieder zurück in die Zugewinngemeinschaft wechseln. Dieser Vorgang kann genutzt werden, um beispielsweise ein Depot mit hohen stillen Reserven auf den Partner zu übertragen, der vielleicht noch Verlustvorträge hat, oder um das Vermögen gleichmäßiger zu verteilen, damit im nächsten Schritt Schenkungen an die Kinder von beiden Elternteilen aus getätigt werden können.

Diese Synthese aus Erbschafts-, Schenkungs- und Einkommensteuerrecht ist die Königsdisziplin der Vermögensgestaltung. Sie zeigt, dass es nicht um einzelne Tricks geht, sondern um ein zusammenhängendes System – eine durchdachte Architektur, die Ihr Vermögen über Generationen hinweg schützt und wachsen lässt.

Um diese Strategien auf Ihre persönliche Situation anzuwenden, ist der nächste logische Schritt eine detaillierte Analyse Ihres Vermögens. Beginnen Sie jetzt mit der Gestaltung Ihrer Vermögensarchitektur, um Ihr Lebenswerk für die nächste Generation zu sichern.

Geschrieben von Sabine Becker, Sabine Becker ist Diplom-Finanzwirtin und Steuerberaterin mit 19 Jahren Erfahrung in steueroptimierter Altersvorsorge und Vermögensübertragung. Als Partnerin einer mittelständischen Steuerberatungsgesellschaft berät sie vermögende Privatpersonen zu Lebensversicherungen, Erbschaftssteuergestaltung und Kapitalertragsbesteuerung.